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E-Mobilität und Stromknappheit, ist das nicht kontrovers?

26.10.22
Nachhaltig
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Gerade werden wir überschüttet mit Tipps wie sich Strom sinnvoll sparen lässt. Also drehen wir die Heizung runter, schalten brav das Licht aus und einige Mutige versuchen vielleicht sogar kalt zu duschen. Und bei all den Bemühungen wundern sich bestimmt nicht wenige, warum bei einer drohenden Stromknappheit immer noch von E-Autos gesprochen wird. Der Umstieg auf ein Auto, dass die Einsparungen vermeintlich zu Nichte machen würde, wäre doch kompletter Nonsens – oder? Nun, wenn man ansonsten mit einem Fahrrad oder zu Fuss unterwegs ist, wäre das korrekt. Sie zählen schliesslich immer zu den umweltschonendsten Fortbewegungsmitteln. Aber wenn die Alternative ein Auto mit Benzin- oder Dieselantrieb ist, sieht die Sache schon um einiges komplizierter aus. Denn: ein Vebrennermotor benötigt ebenfalls einiges an Strom. Zwar nicht direkt für den Antrieb, dafür aber sogenannten «Graustrom». So wird die Energie bezeichnet, die für die Produktion und den Betrieb von Apparaten und Maschinen benötigt wird.

Wo genau soll ein Vebrennermotor Strom verbrauchen?

Zunächst werfen wir einen Blick auf den Treibstoff: sowohl Benzin als auch Diesel wird aus Erdöl gewonnen. Die dafür verwendeten Verfahren sind äusserst komplex und verbrauchen ein enormes Ausmass an Strom. Einer der Verfahrensschritte beinhaltet beispielsweise, dass der Grundstoff auf bis zu 400° Grad Celsius erhitzt werden muss. Zum Vergleich: um einen einzigen Liter Wasser auf 100° zu erhitzen werden bereits 0,184 kWh Strom benötigt. Nun stell Dir die enorme Menge an Erdöl vor, die zur Produktion benötigt wird. Zum hier verbrauchten Graustrom kommt noch ein anderes Problem dazu: beim Erhitzen werden große Mengen an Kohlenstoffdioxid freigesetzt, was unter anderem zur Klimakrise beiträgt. Und Benzin und Diesel sind nicht die einzigen von Graustrom betroffenen Betriebsstoffe. Das gleiche gilt für Schmiermittel oder AdBlue. In Zahlen ausgedrückt: 1 Tonne AdBlue benötigt bei der Herstellung 85-160 kWhA. Hinzu kommt weiterer Stromverbrauch beim Transport, der Produktion von Verpackungsmaterialien und beim Verkauf selbst.

Tanken ohne Strom: ein Ding der Unmöglichkeit

Und damit kommen wir zu einem weiteren «Graustrom»-Baustein: den Tankstellen. Pro Tankstelle werden jährlich um die 200.000 kWh verbraucht. Ungefähr 0,1 kWh Graustrom pro Liter Benzin bzw. Diesel. Und dabei sind nicht nur die grell beleuchteten Tankstellen mit integrierten Shops gemeint, sondern auch das Tanken an sich. Denn damit der Brennstoff seinen Weg von der Zapfsäule in den Tank findet, wird ebenfalls Strom benötigt. Ein Verbrennerfahrzeug fährt also nicht direkt mit Strom, bringt aber einiges an «Graustrom» auf die Energiebilanz. Und verbraucht zudem eine enorme Menge an Erdöl, ein wertvoller Rohstoff, der für viele weitere Produkte (bspw. Kostmetika, Plastik etc.) als Grundlage dient. Und noch ein wichtiger Punkt: ein Verbrennungsmotor wandelt nicht alle verfügbare Energie sinnvoll in Bewegung um, sondern einen grossen Teil auch in Abwärme. Tatsächlich werden nur 20-40% in Bewegung umgewandelt. Dagegen wird beim E-Motor 90% für Bewegung verwendet, was E-Autos um ein vielfaches energieeffizienter macht (mehr dazu).

Auch wer Benzin oder Diesel tankt, verbraucht dabei Strom und zwar mehr, als man vielleicht denkt.

Vom Graustrom zur gespeicherten Energie

Dabei wird von «Heizwerten» (Hu) gesprochen, was die Energie beschreibt, die bei der Verbrennung des Stoffes freigesetzt wird. Ein Liter Benzin hat einen Hu von 8,5 kWh pro Liter Diesel sogar 9,8 kWh pro Liter. Diese Energie könnte – würde sie nicht im Automotor verpuffen – auch anders verwendet werden bspw. für Heizungen. Genauso wie der Strom für ein E-Auto auch für die Beleuchtung der Wohnung, den Kühlschrank oder Deinen Fernseher verwendet werden kann.

Du siehst also: E-Mobilität abzulehnen, weil der Strom knapp wird, ist keine legitime Begründung. Die Sachlage ist tatsächlich sehr viel komplexer und bezieht einige Faktoren mit ein. Auf ein E-Auto umzusteigen ist nach wie vor eine persönliche Entscheidung und macht – je nach Fahrverhalten und Lebensumständen – nicht für jede:n gleich viel Sinn. Das Argument der Stromknappheit fliesst allerdings bei Dir hoffentlich in Zukunft nicht mehr in den Entscheidungsweg mit ein.